Bulgarische Häppchen

Buchtitel: 8 Minuten und 19 Sekunden
Autor:
Georgi Gospodinov

Meine literarischen Reisen im Januar führten mich nach Bulgarien. Georgi Gospodinov ist fast schon zu Klischee für die melancholische slavische Seele um wahr zu sein. Hochwertig und ansprechend ist er trotzdem.wp_20170122_15_51_38_pro
Seine Erzählungen haben mich mit einem sehr intensiven und persönlichem Schreibstil reingesogen und bis zum Ende des Buchs nicht wieder aus den Krallen gelassen. Ich bedauere nun, nach Beenden der Lektüre, dass dies „nur“ ein Bibliotheksbuch ist.

Es wird wohl ein Neuzuwachs im Buchregal werden.

Häppchen genauer betrachtet

Lasst mich Euch einige der Erzählungen näher vorstellen. Die titelgebende Geschichte wirft uns vorbereitungslos und ohne großes Getue rein in eine Ankündigung einer bevorstehenden Apokalypse. Der an der Stelle geradezu atemlose Schreibstil baut in null komma nichts Spannung auf. Nur, um in die Kiste mit schwarzem Humor zu greifen und die Geschichte in eine Erzählung über die Zufallskarriere eines Sonnenuntergangsfotografen münden zu lassen. Was für ein Ritt!

Weit sensibler baut sich die Geschichte um einen Mann, der nach 40 Jahren die Dame seines ersten Mals wiedersehen möchte, auf. Aber vorsicht! Wappnet Euch vor dem unromantischen Ende.

Oder die darauf folgende, in der es um die gespenstische Atmosphäre von historisch belasteten Orten geht. Manche Gespenster, die schlimme Ereignisse hinterlassen, sind trotz baulicher Maßnahmen einfach nicht weg zu bekommen.
Wenn man da als Leser denkt, der Neigung zur Melancholie sei Genüge getan, hat sich sehr verschätzt. Die Geschichte um einen Heimjungen, der einen Vater adoptieren möchte, oder auch die um einen Kinodreh in einem langsam aussterbenden Dörfchen berühren tief.

Einfach da „drüberlesen“ ist keine Option. Pausen und Durchatmen muss man sich bei Gospodinovs Erzählungen gönnen.

Sehr prägend für den Autor ist auch, dass bei mindestens jeder zweiten Geschichte der Eindruck einer starken autobiografischen Komponente entsteht. Die Akteure sind wiederholt selbst Literaten und auch an anderen Hinweisen, wie gern gewählter Ich-Perspektive, mangelt es nicht.
Die Komposition und Phantasiefülle der Erzählungen sowie der absorbierende Stil bewegen mich für Georgi beide Däumchen nach oben zu heben.
Ich werde dieses Mal keine Schätzungen darüber abgeben, für wen dieses Buch geeignet ist und für wen nicht, denn ich halte es auf Grund seiner literarischen Qualität generell für eine Bereicherung. Wem die Themen der Geschichten doch zu tief gehen, wird automatisch Pausen einlegen oder auch nach einer bestimmten individuellen Geschichtenanzahl X das Buch beiseite legen.

Der bulgarische Melancholiker

„8 Minuten und 19 Sekunden“ ist im Droschl-Verlag erschienen. HIER findet Ihr nicht nur mehr Informationen zum Autor, sondern auch seine weiteren in deutscher Sprache erschienen Bücher.

Weiterführende Links

Die Rezension ist Teil meiner Weltenbummlerchallange. Daher habe ich Euch noch ein paar Links zu Bulgarien und seiner Hauptstadt Sofia zusammengestellt:
Bulgarien Infopage
Backpacker-Tipps für die Hauptstadt
Für Kurztrips und Designliebhaber HIER noch ein Link eines tollen Stil-Reise-Blogs (Stilnomaden von Kris) zum Thema Sofia.
Kaufabsichten von Georgis Buch z.B. HIER auslassen oder gleich zum Lieblingsbuchladen zum stöbern wandern!

Frage in die Leserschaft

Würde mich an der Stelle auch über Feedback freuen, ob Du – liebe/r LeserIn- zu den einzelnen durch mich literarisch bereisten Ländern einen etwas ausführlicheren Post lesen magst. Vielleicht zu einer Auswahl an Landesautoren? Freue mich hierzu über Kommentare und Austausch!

3 Gedanken zu “Bulgarische Häppchen

  1. Das Buch ist wirklich schön beschrieben – Mal wieder etwas anderes!
    Schön finde ich übrigens, dass du auch in andere Länder fernlesen möchtest. Auf Inkunabel machen wir das regelmäßig, durch unsere Weltenbummler-Monate. Da picken wir uns nach Abstimmung gezielt ein Land raus und suchen uns jeder ein Buch oder einen Film dazu (Russland, Japan, Frankreich, Südafrika, Brasilien hatten wir bereits – als nächstes folgt zB in einigen Monaten Neuseeland).
    Bei uns lag es daran, dass wir so häufig Literatur aus dem amerikanischen oder britischen Englisch auf dem Blog hatten. Durch die Weltenbummler schaut man sich jetzt wirklich ganz anders um.
    Bulgarien klingt für mich jetzt jedenfalls auch mal nach einer Idee.

    Gefällt 1 Person

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