Buchtitel: BILLY
Autor: einzlkind
Ich hatte auf Lovelybooks schon vorab geschrieben, dass das Buch während des Lesens ein stetiges auf und ab für mich war, eine gefühlsseitige Odysee und ich hatte sogar den Begriff verwendet, es „habe verschiedene Momente“.
Nachdem nun die Lektüre beendet ist, merke ich, wie es weiter in mir arbeitet und es ist schlicht unwiderstehlich, näher auf diese variierenden Momente einzugehen.
Inhalt
In Ich-Perspektive begleiten wir Billy. Billy, den Auftragsmörder. Er ist auf dem Weg nach Las Vegas, ob für einen weiteren Mord oder für ein Treffen wird erst nach und nach klar. Auf unseren Weg mit Billy erhalten wir vom kargen Klappentext noch den Hinweis, dass bereits 12 Morde erfolgt sind und dass Vagas eine unliebsame Überraschung für unseren Killer bereithalten wird.
Jedoch ist es sehr wichtig für das Verständnis des Buches auf die Details – des Klappentextes und natürlich darüber hinaus der Erzählung selbst – zu achten. Die Beschreibung von Billy ist nicht ohne Grund in genau der Reihenfolge angegeben, wie Ihr sie auch meinem Titel entnehmen könnt. Philosoph. Schotte. Killer. In zeitlichen Sprüngen lernen wir, wie es dazu kam, dass Billy Auftragsmörder wurde und darüber hinaus unaufhörlich Philosophie lebt.
Er beschreibt seine Ursprungsfamilie und die Familie, die ihn aufnahm und zu dem gemacht hat, der er ist. Die ihn prägende Figur in der Familie – Onkel Seamus – ist zum Beispiel eine überraschende Mischung aus selfmade-man, red neck und höherer intellektueller Instanz. Er, die Tante, der Cousin Frankie und Billy formen das Familienunternehmen. Kaum nachverfolgbar, nicht auffindbar (oder eben fast nicht) nehmen sie Mordaufträge an.
Die Liebe von Billy und seines Ziehvaters zur Philosophie wird deutlich in ihrer sehr eigenen Auffassung über Recht und Unrecht. Die Begründungen wen und warum sie töten überraschen.
Mehrwert gegenüber üblichen Metzelthrillern
Hier kommt der TATSÄCHLICHE große Mehrwert des Buches zum Tragen. Wir werden nach und nach in Aspekte der Nietzsche´en Philosophie hineingeworfen, deren Konsequenzen für das Handeln der Figuren sind für uns Normalsterbliche skurril.
Dieser Mehrwert hat aber auch einen Preis. Ich bin das erste Mal in der Mitte des Buches aufgeschreckt, um festzustellen, dass ich gut unterhalten und zum Denken angeregt wurde, sich aber inhaltlich für die Reise von Billy nach Vegas nicht wirklich etwas getan hat. Es wurde an der Stelle etwas langatmig.
Billy steckt in der Mitte des Buches fest – durch eine Panne wird er zu einem Exkurs in ein Wüstennest und zu einem 70-er-Jahre Autohändler gezwungen. Die seitenlange Interaktion dieser irren Figuren weckt ein Kopfkino á la Quentin Tarantino-Film. Bei der nervaufreibenden Szene, in der der Autohändler Billy gnadenlos zutextet, wartet man innerlich auf die Explosion der Gewalt. Billy müssten doch einfach die Nerven durchgehen, er den Händler erschiessen und sich ein Auto krallen. Kommt nicht.
Zweifel & Hadern
An dieser Stelle im Buch hatte ich auch etwas Zweifel an der Figur. So sanft. So gutmütig ist unser Killer. Einerseits passt es zu seinem Werdegang, seinen Überzeugungen als Philosoph und einer exzellenten Tarnung seines wahren Seins. Andererseits bin ich vielleicht aus anderen Killerdarstellungen heraus verdorben. Wo bleibt der Reiz der Gewalt, der Sog der Macht perfekt töten zu können, der so vielen anderen Mördergestalten inne ist?
Nach nährer Analyse stimme ich dem Autor einzlkind aber zu. Billy kann nicht anders sein, als zurückhaltend stoisch. Er schwebt über den Dingen. Da rastet man nicht aus.
Aktion?
Diese Tendenz bleibt dem Buch bis kurz vor Schluß erhalten. Blutiges Gemetzel oder sensationslüsterne Gewaltbeschreibungen wird man hier nicht bekommen. Dafür lernen wir weitere Surrealitäten auf Billys Weg kennen – einen IT-Nerd, der am liebsten Borg sein will, einen Elvis-Impersonifizierer (im Buch ELWIS mit W), einen Chaffeur, dessen Körperhygiene schon beim Lesen für Würgereiz sorgt und viele Mehr.
Dazwischengeschaltet die Zeitsprünge, in denen der Philosoph uns zu seinen Morden mitnimmt, diese erläutert und für entsprechende Bilder in unserem Kopf sorgt.
Über die Überraschung am Ende des Buches und die Auflösung werde ich das Mäntelchen des Schweigens hüllen.
Faszinierend
Fazit ist definitiv ein Daumen HOCH!
Wie bereits angedeutet, kommen Freunde von Tarantino-Kunst oder noch besser David Lynch-Werken voll auf ihre Kosten. Ich hatte zwischendurch Szenen aus dem umstrittenen Blue Velvet (HIER ein Spiegelartikel zum Film) vor meinen Augen.
Lieblingszitat
Zitat aus BILLY, S. 89: „Er [Nietzsche; Anmerkung der Red.] war jemand der keine Schafe wollte, nicht wollte, dass man ihm nachrannte, sondern dass man seine eigenen Wege ging, der selbstständiges Denken forderte, der nie nachäffte oder wiederkäute, der das Herdentier mit einer Fingerübung schlachtete, der Antinihilist, der über den Menschen hinaussah, dem der Weisheit letzter Schluss nur kleingeistiger Unfug war.
Die erste, die letzte und die einzige Regel hieß: Denke. Denke um, denke neu, denke kreuz und denke quer, denke.“ Ende Zitat.
Laut gelacht habe ich auch bei Billys Beschreibung seiner Universitäterfahrung/-wahrnehmung. Lest selbt!
Autor
Ein geheimnisvoller Schleier schwebt über dem Autor/dem Autorenteam einzlkind.
Das Buch selbst gibt NICHTS zu ihm Preis. Auf dem Bild ist kein Gesicht erkennbar. Es scheint sich um einen Herrn zu handeln. Er wird als Bestseller gehandelt, fertig.
YouTube bietet zwei Trailer zum Werk BILLY an. Sehr gelungene. Der Verlag suhrkamp hält sich auch online gänzlich bedeckt zu Autoreninfos und es existiert ein ebenso nichtssagender Wikieintrag. Nun, schade, aber ist eben zu respektieren, wenn der Herr nicht in Erscheinung treten will als reale Person.
Wirft bei mir gleich die Frage auf wieviel Autobiografie er in den Nebencharakter gesteckt hat – den IT-Nerd, der am liebsten aus dem realen Leben zugunsten einer semi-virtuellen Realität austreten möchte… hmmm 😉 denke kreuz, denke quer, denke!
Konsum
Klar gebe ich eine Auswahl an Links… wie immer:
Bücher.de
Thalia.de
Falls hier Vermutungen angestellt werden: Meine Kauflinks kann ich bislang stets selbst rauspicken… verdiene daran kein Cent…versuche auch stets für Varianz zu sorgen.
Frage ans Publikum
Hat jemand von Euch die (anderen) Bücher von einzlkind gelesen? Und vielleicht schon rezensiert? Dann nur Mut! Freue mich über Verlinkung per Kommentar!
Beste Grüße
Eure Kasia von nichtohnemeinbuch