Vom geheimem Insiderclub

Ich fahre mit den Öffentlichen zur Arbeit.
Jeden Morgen und auch zu jedem Feierabend gibt mir das wertvolle Minuten, die ich meiner jeweiligen Lektüre widmen kann. Aber nicht nur das. Ich treffe klammheimlich und unbemerkt zahlreiche Gleichgesinnte und Mitglieder in einem der größten Insiderclubs der Welt. Andere bekennende Leser.amos-bar-zeev-136999

Signale

Situationen, die mich begleiten, sind der kurze Blick auf das Buchcover des Gegenübers. Gegenseitig. Keiner sagt etwas. Aber dennoch ist es ein Signal der Gemeinsamkeit. Oder die immer gleichen Handbewegungen, wenn einer von uns beim Umstieg das Buch nicht wegsteckt, sondern nur kurz den Finger an die aktuelle Stelle steckt. Es ist gerade zu spannend. Man will gleich weiterlesen.

Aber auch manchmal das Aufspringen mit gehetztem Blick, wenn man vor lauter Wegdriften in der Geschichte beinahe die Haltestelle verpasst hat.

Wirkung

Was das bei mir auslöst? Freude, Erleichterung, Neugierde und so viel mehr.

Die Literatur, nein, besser: Das Geschichtenerzählen ist weiter präsent. Es ist die älteste Kunst der Welt. Bevor wir schreiben konnten und lange vor dem tatsächlichen Buchdruck haben sich Menschen Geschichten erzählt. Am Feuer, zum Einschlafen, für den Nachwuchs. Es war stets ein Element, das nicht nur in eine andere Welt entführte, den Alltag vergessen und Helden in unserer Fantasie aufleben ließ. Und damals schon bewirkte es Gemeinsamkeit. So alt ist schon dieser Club. Der Club der Geschichtenliebhaber. Heutiger Leser.

Er spricht etwas sehr instinktives und archaisches in uns an. Etwas das in unserem Inneren die Noten Wärme, Wohlbefinden und Gemeinschaft erklingen lässt. Deswegen empfinde ich Freude. Erleichterung empfinde ich, weil mir diese Augenblicke zeigen, dass es nicht nur Konkurrenz, Neid und Härte auf dieser – ach so zivilisierten – Welt gibt, sondern natürlich Verständnis und Solidarität irgendwo unter unseren Alltagsmasken und all dem Stress.

Die Neugierde ist immer da. Was ist das für ein Buch, das mein U-Bahn-Mitfahrer liest? Warum schmunzelt er/sie? Der Titel ist spannend, das Cover schön. Manchmal zähle ich zu den nervigen Mitfahrern, die sich am liebsten Umsetzen und grad über der Schulter mitlesen würden.
Keine Angst. Mache ich nicht. Soviel Selbstbeherrung ist da und zumeist ja auch ein eigenes Buch auf meinem Schoß.

Fazit

Egal ob als eReader oder als gutes altes Papierexemplar. Das Buch und die darin erzählten Geschichten sind unsterblich. Jede Diskussion über den angeblichen Tod des Buches meines Erachtens nach verschwendete Spucke. Ich bin stolz, Mitglied in diesem großen Club zu sein, freue mich auf jeden heimlich geteilten Augenblick. Nun mache ich mich auf – zum Bus.

Eure Kasia

 

Ein Gedanke zu “Vom geheimem Insiderclub

  1. Pingback: Gib mir mehr | nichtohnemeinbuch

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