Gefreut habe ich mich über das Mitbringsel meiner besseren Hälfte von seinem Ausflug nach Bristol – UK. „The Favourite“ von S.V. Berlin war eine schöne Gelegenheit seit langer Zeit auf Englisch zu lesen. Schliesslich mag frau auch nicht einrosten. In Sachen Cover hat mein Liebster schön gewählt, Thematik schien durchaus was für mich: Nach dem unerwarteten Tod der Mutter kommen seit Jahrzehnten entzweite Geschwister zwecks Hausräumung zusammen, um dann auf ungeklärte Geheimnisse zu stoßen und auf die Chance auf Aussprache.
Angesprochen durch die Buchbeschreibung als „elegantes Werk über die Natur der Trauer“ fing ich an zu lesen.
…und hörte leicht entnervt und latent erschöpft nach 140 Seiten wieder auf.
Pro & Kontra
Bevor ich anfange über die Aspekte zu schreiben, die letzten Endes zum Leseabbruch geführt haben, ist es mir ein Anliegen diejenigen zu beleuchten, die durchaus gelungen sind.
Die Autorin beleuchtet Schrittchen für Schrittchen die einzelnen Stationen nach Versterben einer geliebten Person aus drei Perspektiven. Hierzu bedient sie sich dreier Erzähler: Edward – der zutiefst negativ geprägte und machohafte Sohn/Bruder. Dann Isobel – die angeblich snobbistische Tochter/Schwester, die vor Jahrzehnten in die USA ausgewandert ist. Letztlich Julie – die geradezu unterwürfige Lebensgefährtin von Edward.
Deren Wahrehmung auf einzelne Interaktionen, miteinander sowie mit Dritten, könnte als Psychologielehrbuch dienen. Wie kleine Differenzen in Betonung und aufgesetzter „Brille“ bereits über die Gesamtwahrnehmung einer Situation entscheiden können, wird dem Leser mehr als deutlich. Wo Edward einen vermeintlich abschätzigen Blick wirft aus Wut auf seine Schwester, sieht diese einen nachdenklichen Gesichtsausdruck und interpretiert weiter… und so weiter und so fort. Damit erschöpfen sich auch schon die positiven Aspekte.
Über dieses Hilfsmittel der drei Erzähler entwickelt sich die Handlung in einem Schneckentempo – vom Todestag zur ersten Nacht ohne die Mutter und dann zu dem Start des Ausräumens, bei dem auch ungeöffnete Briefe und sonstige geheimnisvolle Hinweise auftauchen. Letzteres jedoch greift keine der Figuren auf, alle schleichen schweigend um sich rum… durchaus lebensecht, aber für die Geschichte ein Todesstoß.
Nach 140 Seiten indirekter Psychoanalyse wäre doch etwas handfeste Aktion angebracht gewesen. Spannendere Wendungen, die den Leser klarer über die Gründe des Familienzerwürfnisses rätseln lassen. Ich genieße es, wenn ein Autor mich auch auf falsche Fährten lockt, ich über Hintergründe grübele, nur um dann neue Hinweise zu erhalten, die mich als Leser wieder in eine neue Denkrichtung treiben… wäre ja vieles machbar. Aber nein. Die Handelnden bei S.V. Berlin schweigen. Packen. Schlafen.
Schade. Mir jedenfalls ist der Geduldsfaden gerissen und ich lege die Lektüre beiseite. Vielleicht hat ja einer von Euch, liebe Mitleseratten, mehr Ausdauer für Familiengeschichten mit minimalistisch angedeuteten Familiendramen. Mir ist es zu minimalistisch. Geradezu nicht existent.
Hier noch der Link zur entsprechenden Verlagsseite: The Favourite bei Myriad Editions