Esther Kinsky – Hain – mehr als ein Geländeroman

Unter den Buchpreisträgern der letzten Leipziger Buchmesse hatte ich mir ursprünglich

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Ein Blick aus dem Fenster – der mich sehr an meine Bilder im „Kopf“ aus Hain erinnerte…

Zhadans „Internat“ ausgesucht, die Rezensionsexemplare waren aber vergriffen. So habe ich auch den Vorschlag des Verlages angenommen mich doch „Hain“ von Esther Kinsky zu widmen. Ich stimmte mit etwas gemischten Gefühlen zu. Manchmal bin ich da komisch. Habe ich mich erst auf etwas eingefahren, fällt mir eine Änderung der Marschroute schwer. In diesem Fall bin ich aber froh, dass ich die Richtung geändert habe, lest warum.

Angekündigt werden drei Reisen der Ich-Erzählerin in ein untouristisches, ungewohntes Italien. In diesem Beitrag möchte ich meine Eindrücke zu der ersten Reise kundtun, um Euch gerne in einem Folgebeitrag auch auf die weiteren Expeditionen mitzunehmen.

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Buchcover (c) Suhrkamp

Geländeroman schimpft sich das Werk. Das macht schon mal neugierig. Was soll das sein? Ein Reisebericht? Eine Novelle? Bereits nach wenigen Kapiteln eröffnet der Stil der Autorin die Lösung zur Frage. Es hat etwas Berührendes und greifbares Echtes, wie Esther Kinsky Ihre Ankunft und Ihren Alltag in dem kleinen unscheinbaren Dorf in den Ausläufern rund um Rom beschreibt.

giuseppe-mondi-679420-unsplashEs wird schnell klar, dass es sich um keine Urlaubstrip handelt. Esther (bzw. die Ich-Erzählerin) ist in Trauer. Sie wählt eine Reise an einen Ort, der ihr den verlorenen Partner – man kann eher auf die Rolle des Verstorbenen schliessen, es wird nicht ganz ausgesprochen – einerseits nahe, den Schmerz aber erträglich hält. So ist es kein romantisches verträumtes Urlaubsörtchen. Eher ein pragmatisches latent graues Winterstädtchen. Das verweilen in dieser Winterlandschaft und der subtilen Ziel- und Hoffnungslosigkeit der Ortes passt zu der Stimmung der Reisenden. Sie beobachtet und beschreibt den Alltag anonymer Akteure, wie der Verkäufer im Dorflädchen, dem in müder Regelmässigkeit wiederkehrendem Klempner und natürlich wirft sie einen intensiven Blick auf den Friedhof. Direkt von den Fenstern beobachtbar wird er zum weiteren Symbol, um was es sich in dieser ersten Reise wirklich dreht. Den Tod, den Verlust und den Umgang damit. Das Gelände – wie die Buchbeschreibung lautet – wird Zentrum, Brücke zum Innersten, stetiges Abbild ebendessen.

Esther schafft es die Bilder auf so einfache und doch prägnante Weise zu zeichnen, dass es mir nicht schwer fiel in ihre Haut zu schlüpfen. Ich spazierte mit ihr über den Friedhof und lauschte einer geheimnisvollen Schreierin in der Nacht. Unternahm einen ersten Ausbruchsversuch nach Rom, um mich dort wieder in ein eher unscheinbares Setting in einem Wohnsilo für Berufstätige zu setzen.

Ihr merkt vielleicht an den zahlreichen Beispielen, dass mich das Buch tatsächlich mitgerissen hat und in seiner Zartheit bewegt.

Daher empfehle ich es gern an dieser Stelle und bin selbst gespannt auf die weiteren Reisen, von denen ich berichten möchte. Wen ich nun schon interessieren konnte, mag vielleicht auch interessieren, dass „Hain“ mittlerweile auch die Bestenlisten von SWR und ORF auf Platz 1 bestiegen hat/hatte. Hier nochmal der Verweis zur Suhrkamp-Verlagsseite zwecks Erwerbsoptionen 🙂 Die Verlagsseite versucht sich in einem Abriß, welche Werke noch von Esther verfügbar sind, hier möchte ich aber lieber auf die entsprechende Wikipediaseite verweisen, denn die Masse an Übersetzungsleistung und eigenem Autorenschaffen kommt auf der Verlagsseite doch extrem kurz. Hier geht es zu der Esther Kinsky laut Wikipedia. Ich freue mich ganz besonders mit Esther die Leidenschaft und das Interesse für Slawistik und u.a. die polnische Literatur zu teilen. Da greife ich doch gern zu einem weiteren Kinsky-Werk.

 

Bis dahin

Eure Kasia-Buchstabendrechsler

Ein Gedanke zu “Esther Kinsky – Hain – mehr als ein Geländeroman

  1. Vielen Dank für diese Besprechung, die mir nicht nur eine noch unbekannte Autorin nahe brachte und mich auf ein Buch neugierig machte, an dem ich im Laden wohl vorbeigelaufen wäre, sondern auch so wundervoll die Stimmung des Buches einfängt. Ich bin gespannt, was du zu den beiden anderen Reisen sagen wirst!

    Viele Grüße
    Kathrin

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