Das Jahr 2018 startet mit eher ernsterer Kost. Wie Ihr Euch entsinnt aus meinem letzten MittendrinMittwoch hatte ich mich im Dezember ganz dem im Luchterhand- Verlag erschienenen „Leere Herzen“ von Juli Zeh gewidmet. Nicht ohne Grund. Obwohl die Autorin für ihren kontinuierlichen Drang zu moralgespickter Gesellschaftsanalyse bzw- -kritik unter Beschuss geraten ist, bekenne ich mich weiter als Zeh´aner. Lasst mich nachfolgend erläutern, wieso dem so ist.

Bildrechte: Bud Helisson via unsplash.com
Zunächst kurz zu den Inhalten des aktuellen Werks.
Eine Welt von Morgen
In einer nahen Zukunft hat in Deutschland nach Merkel die sogenannte Partei der besorgten Bürger die Regierung übernommen. Die grossen Despoten dieser Welt haben neue Alianzen gegründet und dennoch überraschende Ergebnisse – wie das Ende des Syrienkrieges – geliefert.
Um dies zu finanzieren betreibt sie, zusammen mit einem engen Freund, eine Agentur namens „Brücke“. Dort landen die an der Gesellschaft verzweifelten, an allen Therapieversuchen gescheiterten Existenzen. Ziel ist es, nach einer Reihe von Tests, sich als Selbstmordattentäter an radikale Vereinigungen vermitteln zu lassen. Dafür erhalten Britta und Babak, der Teilhaber, Geld.Sie fliegen gern unter dem Radar und müssen sich keine Gedanken mehr um Rechnungen machen.
Bis sie scheinbar Konkurrenz bekommen. Hier entgleist ihnen die Kontrolle mehr und mehr. Natürlich stellt die neue Situation auch die Berechtigung ihres Modells als solches komplett in Frage und es wird eine erschreckende Naivität der Akteure erkennbar, die erst jetzt erkennen, dass der Einsatz für eine solche Tätigkeit schnell das eigene Leben sein kann.
Klar werde ich nun keinen Spoiler in Bezug auf des Ausgang der ganzen Geschichte einbauen. Ich muss allerdings bei aller Begeisterung über die Ideen der Autorin zugeben, dass die Entwicklung der Charaktere etwas auf der Strecke bleibt. Mich konnte gerade der grosse Wandlungsmoment von Britta – trotz der Gewaltmetapher mit einer „quasi aus Lust und Laune ermordeten Katze“ – nicht wirklich überzeugen. Je näher ich mich als Leserin dem Ende des Buches näherte, desto lahmer wurde die gesamte Auflösung. Trotz dieser Kritik, beharre ich auf meinem Statement zum Start dieses Beitrags.
Wieso also weiter Zeh´aner sein?
Jede Gemeinschaft, Gesellschaft, Situation als solche hat ihre Vor- und Nachteile. Nichts ist schwarz-weiss. Um allein zu dieser Einsicht zu kommen, bedarf es eines stets analytischen Blickes. Über einen messerscharfen analytischen Verstand verfügt Juli Zeh. Man kann ihr Mangel an Optimierungsvorschlägen vorwerfen. So weit so gut. Die Analyse der gesellschaftlichen Situation stimmt trotzdem.
Das mag dem einen oder anderen nicht schmecken – so hat z.B. der Spiegel online sich kritisch über den Roman geäussert, ebenso wie mancher Bloggerkollege. Schade. Wer hat denn verboten die Gedankenwelt einer anderen Person aufzunehmen, weiterzuentwickeln, selbst Verbesserungsvorschläge auszuarbeiten? In den Kritiken, die mir bislang „untergekommen“ waren, konnte ich diese Alternativenentwicklung nicht sehen.
Dafür sehe ich Juli Zeh´s Bücher weiterhin als enorme persönliche Bereicherung. Sie stellt eine gelungene Basis zum Grübeln, Diskutieren, Weiteranalysieren und dem Entwickeln von Alternativen dar.
Klar, die Konsequenz der Gedanken war z.B. bei Corpus Delicti derselben Autorin bestens gelungen und man wünscht sich dies für die künftigen Werke von Juli Zeh zurück. Ich bin optimistisch, dass sie dieser Erwartungshaltung erneut gerecht werden wird.
Freue mich, wenn der ein oder andere Bücherwurm seine Gedanken zum Buch oder seine eigene Rezension hier mitteilen mag.

Coverrechte: Luchterhand
Beste Grüße Eure Kasia, Buchstabendrechsler
Ich habe „Leere Herzen“ damals gelesen, ohne vorher negative Meinungen gehört zu haben und war absolut geplättet von diesem Buch… Ich denke, das merkt man auch an meiner Besprechung:
https://leseninvollenzuegen.wordpress.com/2017/11/15/review-leere-herzen/
Danach habe ich fast nur negative Kritiken gelesen, hauptsächlich weil man sich mit den Hauptfiguren identifizieren konnte.
Ich konnte das auch nicht und ich mochte sie auch nicht besonders. Aber als Gedankenexperiment fand ich den Roman unheimlich gut und wichtig.
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